e-Mail an Harald Schmidt:
Montesquieu - ohne Modallogik nicht zu gebrauchen!

Nota Bene:
Eine kleine Besserwisserei für die, die Spaß an so etwas haben.


Von: Klaus P. Sommer
Datum: 29. März 2005 14:22:45 MESZ

Betreff: Wer "brauchen" ohne "zu" gebraucht, braucht "brauchen" gar nicht zu gebrauchen.

Lieber Herr Schmidt,

natürlich habe auch ich mich sehr gefreut, dass man Sie wieder im Fernsehen sehen kann. Andererseits fällt einem nach so langer Pause dabei auch so manches auf, das man zuvor übersehen oder inzwischen vergessen hatte. Da doch gerade Sie ein solcher Freund der Sprache sind, ist Ihr häufig fehlendes "zu" bei Sätzen mit "brauchen" wirklich irritierend.

Als zweites erlauben Sie mir, etwas zu Ihrem (bzw. eigentlich des Herren Bundespräsidenten) Montesquieu-Zitat zu bemerken: Es gibt eine Logik, die sich speziell mit den "Modalausdrücken" der Sprache befasst, also "notwendig" und "zufällig": Die Modallogik. Ein Gesetz, das zu erlassen nicht notwendig ist, ist notwendig nicht zu erlassen. So etwa lautete ja das Zitat, ich habe es etwas verkürzt. Als bonmot ist es natürlich sehr schön, auch sicherlich inhaltlich sympathisch, aber vom Standpunkt der Logik ist es einem inkorrekten Tausch der logischen Partikel geschuldet.

Man kann das leicht sehen, wenn man es deutlicher formuliert:

Ein Gesetz, das zu erlassen nicht notwendig ist.
=
Es ist nicht notwendig, dieses Gesetz zu erlassen.

Daraus folgt aber nur die Trivialität (und logische Folgerungen sind immer trivial, gehen nie aber das hinaus, was schon in den Prämissen steckt):

Es ist zufällig (willkürlich etc.), dieses Gesetz zu erlassen. (Das folgt, weil "nicht notwendig" und "zufällig" äquivalent sind.)

Es folgt aber nicht der Tausch der Negationspartikel "nicht" vom ersten Teil des Satzes (vor dem Modalausdruck "notwendig"), in den zweiten Teil des Satzes, wie das Montesquieu und unser BuPrä gerne hätten, also dieser Satz:

Es ist notwendig, dieses Gesetz nicht zu erlassen.

In der Tat folgt gar nichts mit "notwendig", sondern aus "nicht notwendig" folgt eben nur "zufällig" und vice versa. Ein Satz, der in seinem ersten Teil ein "notwendig" ohne "nicht" stehen hat, kann nicht folgen.

Sie schienen das in Ihrer Sendung durchaus gefühlt zu haben, aber wussten vielleicht nicht, es auszudrücken. Ihre Ausflucht zu Karl Popper half da auch nicht.

Auch meine Weisheit beruht im wesentlichen darauf, dass ich vor 27 Jahren als Oberstufenschüler mit roten Ohren Wolfgang Stegmüllers "Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie" (bei Kröner) las, in der er auch einen Abriss der Modallogik gibt (und der "deontischen Logik" über die Ausdrücke der Pflicht wie Sollen, Müssen, Können und Dürfen etc.). Alles sehr interessant. Besonders interessant ist auch sein Kapitel über Thomas S. Kuhn, das die geballte Kritik der Späteren an Popper enthält.

Da Popper ja immer noch von gewissen Kreisen so hochgehalten wird (und nun auch ein modallogisch sich irrender Montesquieu), möchte ich Ihnen diese handlichen Bände wirklich ans Herz legen. Sie wären eine Fundgrube für so manchen schlauen Kommentar. Und als gehobene Klolektüre sind sie allemal besser als Mr. Popper, nein Sir.

Herzlichst, Ihr Klaus P. Sommer

 

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